Samstag, 18. Juni 2016

Buonasiera, wir sind gekommen um zu schlafen!

Der erhoffte raume Wind zeigte sich nur 2,5 Tage. Um diesen zu nutzen ließen wir Sardinien backbords liegen und änderten den Kurs auf Sizilien. Die Insel bereits schemenhaft im Dunst erkennbar, sollten wir dieser nur durch Aufkreuzen gegen den Wind näher kommen. Aufgrund der Prognosen für das Ionische Meer wollten wir die Straße von Messina hinter uns bringen. Ca. drei Seemeilen vor der Einfahrt in die Straße, es war ca. 8:00 Uhr morgens, wurde der Gegenwind aus dem Kanal zwischen Sizilien und der kalabrischen Küste stärker. Nach erneutem Abrufen des Wetters, ca. 10 Minuten später, zeigte der Windmesser bereits über 35kn an. Nach dem Bergen der Segel war die Windgeschwindigkeit weiter gestiegen. Und schon nach kurzer Zeit, blies uns die salzige Gischt mit einer Geschwindigkeit von 60kn (111,12km/h) ins Gesicht und Wellen kamen ins Cockpit. Das Heulen der Wanten im Wind und das Schlagen der Wellen gegen den Schiffsrumpf ergab eine gigantische Geräuschkulisse. Durch die Kraft des Windes auf das nackte Rigg und dem aus dem Wasser ragenden Rumpf, lässt sich mit dem Steuerrad, auch bei drehendem Propeller, das Schiff nur mehr in die windabgewandte Richtung beeinflussen. Da genug Freiraum nach Lee vorhanden war, lenzten wir vor Topp und Takel (im rechten Winkel zur Welle mit dem Wind ohne Maschine treibend). Einig sind wir uns, dass dieser überraschende und nicht im Wetterbericht angezeigte "schwere Sturm" (Beaufort-Skala 10) für die Zukunft noch mehr Vertrauen in die SY Freemen und uns selbst mit sich bringt. Sicherheitsreserven, wie zum Beispiel einen Treibanker einzusetzen, waren immer noch genügend vorhanden.
Völlig übermüdet und zugegeben auch ein wenig enttäuscht unser Ziel nicht erreicht zu haben, steuerten wir einen nahegelegenen Hafen an der kalabrischen Küste, an. Vorbei an Verladekränen und einigen Containerschiffen fanden wir im hinteren Teil des Hafens eine weitere Einfahrt zu einer kleinen geschützten Marina. Eine Lücke zwischen einer Segelyacht und einem Motorboot sollte uns als Schlafplatz willkommen sein.
Durch die hohen Zäune und teilweise maroden Boote präsentierte sich dieser Ort nicht unbedingt einladend. Die nächstgelegene Ortschaft war ca. 3km entfernt. Gleich nach dem Aufklarieren des Schiffes füllten wir unsere Wassertanks. "Buonasera! No possibile.no business.private Marina!" So ungefähr lauteten die Begrüßungsworte eines gepflegt wirkenden Mannes, Mitte 60 mit einem roten Markenpoloshirt (ohne aufgestellten Kragen!) und einer Hose von der das Versace Logo glänzte. Nach einem kurzen Gespräch über Reiseroute, Reisedauer und Ziel unserer Reise veränderte der Einheimische seinen Umgangston, bekam einen entspannten Gesichtsausdruck und zeigte uns wie selbstverständlich wo die Duschen sind. Auch auf den Kaffeeautomaten und den Bierautomaten mit "buona italian birra" machte er uns aufmerksam. Auf die Frage wo man nun die Liegegebühren begleichen kann antwortete er sinngemäß: " Ihr seid Gäste und Gäste brauchen nicht für den Liegeplatz zu bezahlen." Er bezeichnete uns als "Crazy Sailors" und bot uns sogar an mit ihm in die Stadt zu fahren, nachdem wir ihn nach einem Restaurant gefragt hatten. Ausgeschlafen und motiviert kontrollierten wir am nächsten Morgen das Rigg und spritzten mit Wasser das Salz vom Schiff bevor wir wieder in Richtung Messina aufbrachen. Der Wind zeigte sich diesmal gnädig und blies uns förmlich durch das Nadelöhr zwischen dem Festland und der Insel. Dabei verließen wir das Tyrrhenische Meer und schwimmen nun im Ionischen Meer. Froh darüber, neue Erfahrungen gesammelt zu haben wird uns das Tyrrhenische Meer durch den ständigen Gegenwind, der teilweise sehr böig, immerfort die Richtung wechselte und dem erlebten Sturm als tyrannisches Meer in Erinnerung bleiben.

Liebe Grüße von der Freemen!